Indien in Berlin

3500 Inder leben in Berlin

In Neukölln aufgewachsen, aber mit indischen Wurzeln: Sangeetha Sander In Neukölln aufgewachsen, aber mit indischen Wurzeln: Sangeetha Sander

(be) Indien, da denken viele Menschen zuerst einmal an Bollywood und die fröhlich-bunten Filme mit Stars wie Shahrukh Khan. Dem indische Megastar konnte man im Oktober/November 2010 durchaus beim Shopping in Berliner Kaufhäusern oder in der Winterwelt am Potsdamer Platz begegnen. Er drehte nämlich in der Hauptstadt seinen neuen Film „Don 2“. Alle wichtigen Sehenswürdigkeiten der Stadt sind übrigens im neuen Film mit im Bild. Millionen Inder werden dann hoffentlich Lust darauf bekommen, Berlin einmal einen Besuch abzustatten. Zitat Khan: „Wir sind stolz, dass wir Berlin für die Inder entdeckt haben. Ihr werdet Probleme haben, die Inder wieder loszuwerden“.

 Nachbau des berühmten Taj Mahal in Wilmersdorf

Nachbau des berühmten Taj Mahal in Wilmersdorf

Ungefähr 3500 Inder leben schon teils seit Jahrzehnten in unserer Stadt. In Berlin gibt es viele indische Spuren. Zum Beispiel einen indischen Brunnen in Kreuzberg, Seit 1927 gibt es eine Indische Straße im Wedding oder in Wilmersdorf einen kleinen Nachbau des berühmten Taj Mahal im indischen Agra, der als Moschee genutzt wird.

Wir haben uns etwas in der indischen Community in Berlin umgesehen und interessante Menschen getroffen.

Etwas Geschichte

Berlin spielte schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Rolle in den Beziehungen zu Indien. Die Firma Siemens und Halske errichtete zum Beispiel zu dieser Zeit eine Telegraphenverbindung zwischen England und Kalkutta. Die deutsche und die Berliner Industrie erwarb sich schnell einen guten Ruf in Indien, der die Handelsbeziehungen förderte.

Nur wenige Inder kamen im 19. Jahrhundert nach Berlin, die ersten indischen Studenten gab es 1875/76 in der Stadt. Prominente Besucher waren noch vor dem ersten Weltkrieg Motilal und Jawaharlal Nehru, die aber zu dieser Zeit noch nicht auf der politischen Bühne standen. Der Nobelpreisträger für Literatur, Rabindranath Tagore besuchte 1921 die Stadt und tausende Menschen wollten ihn während eines Vortrages an der Universität erleben. Der bengalische Poet und Künstler engagierte sich stark für Indiens Freiheit. Während seines letzten Berlin-Aufenthaltes im Jahr 1930 kam es auch zu einem Treffen mit Albert Einstein.

In späteren Jahrzehnten kamen weitere indische Persönlichkeiten nach Berlin, besonders hervorzuheben sind die Besuche von Indira Gandhi (1960) und Mutter Theresa (1980). In den vergangenen Jahrzehnten kamen viele Wirtschafts-, Wissenschafts- und Kulturdelegationen nach Berlin und die wichtigsten Tanz- Musik- und Theatergruppen gastierten in der Stadt. Einen besonderen Anteil daran hatte der älteste indische Verein in Berlin Bharat Majilis.

Bewahrung der Kultur

In Neukölln aufgewachsen: Sangeetha Sander

In Neukölln aufgewachsen: Sangeetha Sander

Heute leben, wie anfangs erwähnt, etwa 3500 Inder in Berlin. Viele schon seit Jahrzehnten, die meisten kamen als Studenten oder bereits ausgebildet in unsere Stadt. Viele von ihnen blieben in Berlin und gründeten Familien. Sangeetha Sander kommt aus so einer Familie. Sangeethas Vater kam 1976 als gesuchte Fachkraft nach Berlin, er arbeitete bei einer Tochterfirma der AEG. Nach der gemeinsamen Hochzeit im Jahr 1978 in Indien folgte seine Frau ihm nach Berlin. Eigentlich wollten die beiden bald nach Indien zurückkehren, doch die beruflichen Möglichkeiten waren so gut, dass sie in Berlin blieben. Töchterchen Sangeetha kam zur Welt und als sie fünf Jahre alt war, trafen die Eltern die Entscheidung, so lange in Berlin zu bleiben bis die Kinder groß sein würden. Sumathi Sekaran: „Obwohl ich kein Wort Deutsch sprach und verstand, fühlte ich mich in von Anfang an sehr wohl. Heimweh war natürlich da, weil ich außer meinem Mann niemanden kannte. Inzwischen haben wir einen sehr guten Freundeskreis“. Tochter Sangeetha Sander ist aufgewachsen in Neukölln, hat dort ein Gymnasium besucht, studierte und spricht heute sechs Sprachen. „Ich fühle mich in Berlin sehr heimisch“ so Sangeetha, die ihren deutschen Mann in einer traditionellen Zeremonie in Indien geheiratet hat. „Als im Ausland lebende Inder sind wir in Indien nicht ganz so anerkannt“ sagt sie. Hier in Berlin falle man durchaus positiv auf. Die Frage, woher sie denn so gut Deutsch spräche, kann Sangeetha schnell beantworten: „Schon immer, denn ich bin hier aufgewachsen“.

Indischer Tanz in Berlin

Indischer Tanz in Berlin

Die indische Kultur wird in der Community gepflegt, so lernten wir Sangeetha Sander im Zusammenhang mit indischem Tanz kennen. Wir hatten auch die Gelegenheit, eine wunderbare Tanzveranstaltung im Museum Dahlem zu besuchen. Junge Frauen und Kinder präsentierten dort klassische Indische Tänze. Jahrelange Übung und Lernen sind dafür nötig, jede Hand- und Augenbewegung hat ihre ganz besondere Bedeutung.

Die Damen vom indischen Frauenverein

Die Damen vom indischen Frauenverein

Der Bewahrung der indischen Kultur und dem Gedankenaustausch untereinander haben sich auch die Damen des Indischen Frauenvereins verschrieben. Sie treffen sich regelmäßig in den Räumen des Migrationsrates Berlin-Brandenburg e.V. in der Kreuzberger Oranienstraße. Von der Vorsitzenden, Premila Frank, erfahren wir etwas über den Verein. Er wurde 1993 gegründet und ist aus einer Tanzschule hervorgegangen. Eltern haben ihre Kinder begleitet und so kam es zu den ersten Treffen. „Wir wollten die Beziehungen zwischen Deutschen und Indern intensivieren“. Einmal jährlich wird ein kulturelles Fest veranstaltet, bei dem die Vielfalt und die Eigenheiten Indiens vermittelt werden. Die gemeinsame Sprache bei den Treffen ist übrigens Deutsch. In Indien werden je nach Region so viele Sprachen gesprochen, das die Frauen sich anders oft nicht verstehen könnten. Gäste sind zu diesen Treffen durchaus willkommen.

In der Neuköllner Fuldastraße treffe ich Parameswaran Jegatharan. In seinem kleinen Geschäft kann sich die indische Community und Indienfans mit indischen Lebensmitteln und Kleidungsstücken versorgen. Eine Inderin erzählt mir, dass sie nicht so gerne ins Restaurant gehe, weil es dort eben nicht das typische indische Essen gäbe. Also wird überwiegend selber gekocht. Und egal um welches Gewürz, welchen Reis oder was auch immer es sich handelt, hier gibt es eine riesige Auswahl davon.

Grundsteinlegung Hindutempel Berlin

Links: Vilwanathan Krishnamurthy; Vize-Präsident Sri Ganesha Hindu Tempel Berlin e.V. und rechts Bezirksbürgermeister Horst Buschkowsky

Bau eines Hindutempels

In der Hermannstraße in Neukölln treffen sich Berliner Hindus zur Zeit noch in einer zugigen alten Turnhalle. Teppiche, ein Altar und bunte Figuren versuchen, dieser Halle etwas Atmosphäre zu geben. Wenn alles gut geht, soll bald auf dem großen Grundstück ein neuer Hindutempel entstehen. Ein Modell der Anlage steht gleich neben dem Eingang. Lange ist dieser Tempel schon geplant. Mit einer religiösen Zeremonie im Beisein von Neuköllns Bezirksbürgermeister Horst Buschkowsky konnte im September 2010 die langersehnte feierliche Grundsteinlegung begangen werden. Der Tempel ist jedoch bis heute (Februar 2014) nicht fertiggestellt.

Die Tempelanlage in Berlin Neukölln ist als repräsentative Anlage geplant, die sich in den Park Hasenheide harmonisch einfügen wird. Der Tempel soll nicht nur ein Ort für Gläubige Hindus sein, so Vizepräsident Vilwanathan Krishnamurthy, sondern auch anderen interessierten Menschen offen stehen. Er soll ein Zentrum für interkulturelle und interreligiöse Begegnungen mit einem Einzugsgebiet weit über Berlin hinaus werden. Der Tempel wird übrigens vollständig durch Spenden finanziert. Wir konnten am Rande der Grundsteinlegung kurz mit Horst Buschkowsky sprechen:

Herr Buschkowsky, der Hindutempel hat ja viele Jahre der Vorbereitung hinter sich, was sind so ihre Gefühle heute?
Das Gefühl ist ein bisschen Unsicherheit. Haben wir den Berg wirklich überschritten, geht es jetzt los? Oder sind wir immer noch am Aufstieg? Und da ist natürlich auch die Hoffnung, dass der Tempel jetzt wird, wir wünschen ihn uns alle, es ist eine Attraktion für Neukölln, er ist das längst überfällige Gotteshaus für die Tamilen hier in Neukölln und ich glaube, dass sie es auch verdient haben, dass der Tempel jetzt Realität wird.

Und ich glaube, dass unsere Herzen schneller waren, als unsere Hände. Letztendlich braucht ein Tempel Geld, und ich hoffe das der Spendenfluss jetzt immer schneller wird, je mehr der Tempel dann auch zu sehen ist, je mehr man ihn anfassen kann.

Woher kommen die Mittel für den Tempelbau, gibt es öffentliche Zuschüsse?
Nein es gibt dafür keine öffentlichen Zuschüsse, der Tempel entsteht mit Spenden aus der ganzen Welt.

Indien in Berlin erleben:

Wer möchte, kann in Berlin ganz viel von Indien mitbekommen. Es gibt Läden, Videostores, indische Partys, Kulturveranstaltungen, eine Menge Berührungspunkte. Die Indische Botschaft im Tiergarten lädt regelmäßig zu kulturellen Veranstaltungen ein.

In einem indischen Geschäft in Berlin

In einem indischen Geschäft in Berlin

Quellen:
Inder in Berlin; Dr. Joachim Oesterheld/Dr. Lothar Günther – Berlin 1997; Stern-online; Wikipedia; Kauperts Straßenverzeichnis

Fotos: Becker