Das Hansaviertel
Neues Stadtviertel zur Interbau 1957
Das Hansaviertel war ursprünglich ein im Jahre 1874 gegründetes Wohngebiet zwischen Spree und Großem Tiergarten. Auf dem Gelände weideten 100 Jahre zuvor noch die Kühe der Schöneberger bauern. Der Baugrund war sumpfig und mit Faulschlamm durchzogen, also sehr kompliziert. Und obwohl aus diesem Grund ein königlicher Erlass nur höchstens zweigeschossige Häuser gestattete, wurden vier bis fünfstöckige Häuser gebaut. Der Name hat folgende Bedeutung. Er erinnert daran, dass das Bauquartier von der Berlin-Hamburger Immobiliengesellschaft Hansa erschlossen wurde, der überwiegend Hamburger Unternehmer angehörten. Außerdem ist das Gebiet durch den nahegelegenen Hamburger Bahnhof sowie über die Spree und Elbe mit Hamburg verbunden. Darüber hinaus gehörte Berlin im 14. und 15. Jahrhundert dem Hanse-Bund an.
Das Hansaviertel war ein gutbürgerliches Viertel. Zu den vielen bekannten Persönlichkeiten, die im alten Hansaviertel gewohnt haben, gehörten zum Beispiel Käthe Kollwitz, Else Lasker-Schüler, Heinrich George, Dieter Bonhoeffer und Max Reinhardt. Neunzig Prozent des Viertels wurden im November 1943 durch die Bombenangriffe auf Berlin zerstört. Nach dem Krieg sollte an gleicher Stelle etwas neues und modernes entstehen.
Das neue Hansaviertel
Von wem die Idee, den Aufbau eines zerstörten Stadtviertels mit einem internationalen Architektenwettbewerb und einer Internationalen Bauausstellung 1957 (Interbau) zu verbinden stammt, ist nicht ganz klar. Das Viertel sollte aber auch demonstrativ als Gegenentwurf zur prunkvoll protzigen sozialistischen Wohnbebauung an der Stalinallee (später Karl-Marx-Allee, heute Frankfurter Allee) in Ost-Berlin konzipiert werden. Noch bestehende Reste des alten Hansaviertels wurden abgerissen, um Platz für das neue Viertel zu machen. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Beseitigung des alten Hansaviertels und der Planung und Durchführung des neuen Viertels findet man in einer Veröffentlichung des Architekten Hans Stimmann aus dem Jahr 2007. Stimann nimmt auch Bezug auf die Streitschrift „Die gemordete Stadt“ von Wolf Jobst Siedler aus dem Jahr 1964. (Sehr interessant. Der Link ist unter diesem Artikel zu finden.)
An der Ausschreibung für die Neubauten beteiligten sich 48 berühmte Architekten aus 13 Ländern. (Dabei waren auch Namen wie Alvar Alto, Walter Gropius, Oscar Niemeyer und Pierre Vago) Die Architekten hatten sich bei ihren Arbeiten an die Vorgaben des damaligen sozialen Wohnungsbaues zu halten. Dieser Umstand war ein großes Problem, das viel Ärger mit sich brachte. Der Ärger über Änderungen und Beschneidungen der Entwürfe und Ausführungen war so groß, dass fast alle prominenten Auslandsarchitekten bei Vorbesuchen an den Berliner Baustellen des Hansaviertels die Entfernung ihrer Namensschilder forderten. Der Architekt Walter Gropius wird sogar wie folgt zitiert: „Man hat hier Schindluder mit unseren Namen getrieben“.
Die 48 neuen Häuser wurden in einer großzügig mit Grünflächen angelegten Siedlung mit 177.000 Quadratmetern Größe realisiert. Dichte Blockbebauung mit ihren Nachteilen sollte unbedingt vermieden werden. Deshalb wurden einerseits Ein- und Mehrfamilienhäuser gebaut, des weiteren sogenannte Punkthäuser mit fast quadratischem Grundriss und außerdem Zeilenhäuser mit langgezogenem rechteckigen Grundriss. Alle Häuser wurden als Betonbauten hergestellt. Die Nachkriegszeit zwang aber auch zur Sparsamkeit. Deshalb wurden Mischbauweisen angewendet. Bei allen Häusern wurden mit dem Baustoff Ziegelsplitbeton die Reste von zerbombten Ziegelwänden Berlins verwendet. Die Kosten der Interbau betrugen damals knapp 80 Millionen DM.
Das Hansaviertel wurde 1995 unter Denkmalschutz gestellt. Es zieht heute nach wie vor zahlreiche Besucher aus aller Welt an. Von kultureller Bedeutung sind im Hansaviertel die Akademie der Künste und das bekannte Grips Theater. Das Corbusierhaus von Le Corbusier konnte übrigens wegen seiner Größe nicht im Hansaviertel gebaut werden, sondern wurde ausserhalb des Interbau-Ausstellungsgeländes errichtet. Ein weiteres wichtiges Gebäude der Interbau 1957 ist die Berliner Kongresshalle.
Quellen:
Wikipedia; „Das Hansaviertel“ von Ingrid Krau und Rainer Vallentin; „Berliner Hansaviertel war ein Irrweg“ von Hans Stimman Die Welt/19.04.2007
„Interbau – Heiliger Otto“ Spiegelartikel vom 31.07.1957,
Interessante Links:
Bürgerverein; Hier der Link zu dem wirklich interessanten Artikel im SPIEGEL über die Interbau 1957; „Berliner Hansaviertel war ein Irrweg“ von Hans Stimmann.